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Warten…

„Sie lassen uns hier lange Jahre warten, oft mehrere Jahre, und dann schicken sie uns nach Hause. Warum? Man muss doch sagen, was Sache ist. Jeden Tag sehen wir nur die Bäume vor dem Fenster, jeden Tag. Ich will diese Bäume nicht mehr sehen.“ (Übersetzung aus dem Englischen)

Ein wiederkehrendes Thema sind lange Wartezeiten: Zuerst auf das Interview. Dann auf die Antwort. Dann ggf. einen Gerichtstermin. Dann die richterliche Entscheidung. Warten auf eine Behörde. Warten auf eine Arbeitserlaubnis. Warten auf Unterstützung.

Diejenigen, die sich erst seit 2015 seit dem „Sommer der Migration“ mit der Situation der Asylsuchenden beschäftigen, kennen oft die Probleme derjenigen nicht, deren Verfahren nicht in diesem Zuge begünstigt wurden. Denn wo in MV seit Ende 2015 Syrer*innen vorbildlich schnell (im bundesweiten Vergleich) Anerkennungen erhalten, da leben andere in jahrelanger Ungewissheit. Auch dies hat sich geändert, doch unterschätzen sollte man diese Lebensrealität auch weiterhin nicht.

„Ich warte seit drei Jahren auf mein Interview. Mein Anwalt sagt auch immer nur: Warte, warte. Wie lang soll ich noch warten? Wann fängt mein Leben an?“ (Übersetzung aus dem Persischen)

„Ich habe 3 Jahre auf das Interview gewartet. Seit 2014 bin ich hier. Nun warte ich auf die Antwort. Ist es gut, wenn die Antwort lange dauert? Ich weiß es nicht. Ich habe jeden Tag Angst vor den Briefen.“ (Übersetzung aus dem Französischen)

Das Asylsystem muss einen Spagat schaffen: Menschen nicht  in die Warteschleife schieben – und doch genug Zeit einräumen das Verfahren und die eigenen Rechte zu begreifen. Jemand, der vier Jahre in Deutschland lebt, und kaum Kontakt zu Einheimischen hat, wird depressiv. Das Warten und die Einsamkeit sind keine guten Weggefährten.

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Erstaufnahmestellen

Informationen über die eigenen Rechte zu bekommen, ist nicht einfach für diejenigen, die in einer der Erstaufnahmestellen leben. Nicht einfach, denn dort leben heißt: Besuch nur mit Besuchsliste und immer direkt zugeordnet. Keine anonyme Beratung, denn zu jedem Beratungsangebot können die Namen derjenigen festgestellt werde, die diese in Anspruch nehmen.

„Ich habe den Dolmetscher nicht verstanden. Ich habe gesagt: >Ich verstehe ihn nicht.< Die Interviewerin hat mir gesagt: >Was willst du? Du kannst gehen.< Und ich bin gegangen. Aber ich habe ihr meine Gründe nicht gesagt, warum ich nicht zurück nach (anderes EU-Land)) gehen kann.“ (Übersetzung)

Das Essen monoton, die Räumlichkeiten nicht sehr einladend, keine Schule für Kinder – auch bei monatelangen Aufenthaltszeiten: Horst.

„Es finden hier manchmal zweimal am Tag Abschiebungen statt. Du weißt nie, ob du dabei sein wirst. Alle hier haben Angst vor Dublin. Die Einen sollen nach Italien, die anderen nach Finnland. Aber keiner will und jeder weiß warum.“ (Übersetzung aus dem Arabischen über die EAS Sternbuchholz)

Mit dem Asylpaket I 2015 kam die neue Regelung: Wer ein Dublin-Verfahren hat, muss in den Erstaufnahmestellen bleiben – bis zur Abschiebung. Dublin bedeutet: Wer Fingerabdrücke in einem anderen Land abgibt, muss zurückkehren und das Asylverfahren dort durchlaufen. „Fingerabdrücke“ abgeben ist nichts, was die Menschen freiwillig tun. Oft werden sie mittels Gefängnisaufenthalt dazu gezwungen. Die Berichte von Polizeigewalt in vielen europäischen Ländern sind zahlreich.
Aus vielen Gründen gehen Menschen in ein zweites Land: Familie, Unterkunft, Zukunft. Meist sind es sehr tiefe Wünsche und Hoffnungen auf ein besseres Leben, von denen sie berichten.

Mit der neuesten Asylrechtsverschärfung von Juli 2017 ist die Unterbringung in Erstaufnahmestellen nun bis zum Ende des Asylverfahrens möglich – für alle.

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Rassismus

„Ich bin seit zwei Jahren und sechs Monaten in Deutschland. Ich hoffe, dass ich positiv bekomme. Dann beginnt mein Leben, mit dem Deutschkurs, Schule und Arbeit. Noch warte ich, dass mein Leben beginnt.“ (Übersetzung aus dem Englischen)

Rassismus bedeutet nicht unbedingt Unterkünfte anzuzünden oder die NPD zu wählen – ein weit verbreiteter Irrtum. Rassismus fängt viel eher an: Bei Gesetzen, die „gute“ und „richtige“ Flüchtlinge kennen. Bei abschätzigen Blicken gegenüber Schwarzen Menschen. Bei Ärzt*innen, die keine Termine an „Ausländer“ vergeben.

„Ich würde gerne nach Bayern ziehen. Ich habe gehört, dass die Leute dort freundlich sind. Hier schauen sie mich misstrauisch und böse an, zum Beispiel wenn ich in die Stadt gehe um einzukaufen. Ich weiß nicht, warum. Ich bin doch auch ein Mensch – wie sie..!“ (Übersetzung aus dem Englischen)

Das Leben in Mecklenburg-Vorpommern in kleinen Städten ist nicht einfach. Man ist sichtbar, man fällt auf, wenn man nicht weiß ist oder schlecht deutsch spricht. Von Problemen mit Nachbar*innen, offenen Anfeindungen und „leiser“ Diskriminierung haben wir an allen Orten gehört.

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Ausbildung

Seit 2016 gibt es die gesetzliche Regelung: Wer eine Ausbildung macht, kann nicht abgeshcoben werden. Warum? Zu viele offene Ausbildungsstellen und zu wenig qualifizierter Nachwuchs. Da haben Arbeitgeber*innenverbände und findige Liberale sich dafür eingesetzt, Ausbildung mit anschließender Ausbildungsperspektive zu ermöglichen.

„Die Ausländerbehörde hier sagte mir, wenn ich das erste Negativ habe, gibt es keine Ausbildung mehr. Aber das ist nicht richtig. Ich weiß das. Eine Freundin von mir in Rostock ist in genau derselben Situation. Es hat einen Tag gedauert, dann hatte sie ihre Arbeitserlaubnis“ (Übersetzung)

Doch einige Ausländerbehörden in Mecklenburg-Vorpommern verfolgen ihre eigene Ideen. Perspektive durch Integration? Das passt ja gar nicht ins Bild! Gibt’s nicht!

Und so bleibt es ein Kampf: Für das Recht zu arbeiten und für das Recht zu bleiben. Anschließnd für gute Arbeitsbedingungen und ein rassismusfreies Klima im Betrieb. Wer es am Ende schafft, weiß genau, was hinter ihm*ihr liegt.

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Leistungskürzungen

§1a AsylbLG – ein Schreckenswort. Das Gesetz macht die Kürzung der Sozialleistungen auf das sogenannte „physische Existenzminumum“ möglich. Eine Sanktion, die soviel Druck auf die existentielle Versorgung ausüben soll, dass die Menschen „freiwillig“ gehen, nach einer Ablehnung.

„Leben von 150€! Ich wohne hier in (kleine Stadt). Manchmal will ich hier weg, aber wie soll ich das machen mit 150€? 30€ gebe ich jeden Monat meinem Anwalt. Ich kaufe essen und Medikamente. Was bleibt da? “ (Übersetzung aus dem Englischen)

Das Gesetz soll diejenigen treffen, die aus böser Absicht ihre Identität verschleiern oder ihre Abschiebung verhindern. Im echten Leben, außerhalb der runden Tische im Parlament, trifft es Menschen, die gute Gründe hatten ihr Herkunftsland zu verlassen. Und die – aus persönlichen oder politischen Gründen – nicht die Möglichkeit haben, dorthin zurückzugehen, auch wenn das BAMF und andere deutsche Behörden das gerne hätten.

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